[...] Lesen sollte man Serners „Letzte Lockerung“ aber vor allem deshalb, weil sie wirklich einlöst, was der Titel verspricht. Georg M. Oswald hat für sein Nachwort den Begriff im Grimmschen Wörterbuch nachgeschlagen und dort die Erklärung „das lockermachen: die lockerung der fesseln; lockerung der disciplin“ gefunden. Doch Serners „Lockerung“ – vor allem im ersten, 1918 im Umfeld der Zürcher Dada-Bewegung entstandenen Teil – impliziert viel mehr. Sie unternimmt eine radikale und befreiende Durchlüftung des Denkens; keck bis blasphemisch wird hier alles abgewunken und durcheinander gewirbelt, worauf die „Gesinneriche“, „Geistportiers“ und „Vis-à-Wüteriche“ aller Zeiten ihre Ideologien und Herrschaftsmechanismen gründen. „10 Pfennig dem Kühnen, der mir nachweist, dass etwas letzthin nicht willkürlich als Norm herumspritzt!“, heißt es in Punkt 5, und kurz zuvor: „Der wahre Beruf des Menschen sei, den Acker zu bestellen. Wieso? Fiel ein Pflug vom Himmel?“ [...]
Die Presse, 21.06.2008
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